Ein Roadmovie der besonderen Art.
Und wieder ist mir eine Geschichte über einen kleinen mutigen Jungen zugelaufen. Carlo ist 11 und vermisst seinen Papa. Der wohnt nämlich nach der Trennung von Mama nicht mehr bei ihnen in Bochum, sondern ist in seine Heimat zurückgegangen. Und die ist in Palermo auf der italienischen Insel Sizilien. Also mal so richtig weit weg.
Darum geht es
Papa ist seit genau fünf Monaten, zwei Wochen und sechs Tagen fort, als es Carlo nicht mehr aushält: Er macht sich auf den Weg nach Palermo. Heimlich. Und ganz alleine. Für ein Ticket reicht sein Geld nicht und so muss er als blinder Passagier durch halb Europa fahren – im Zug, auf der Fähre. Und mit dem Taxi. Aber diese Fahrt ist sehr teuer: Sie kostet ihn sein ganzes Geld. Diebstahl!
Zum Glück begegnen ihm auf seiner langen Reise aber auch viele freundliche Menschen, die ihm helfen. Trotzdem ist dieser Trip kein Zuckerschlecken.
Doch die Sehnsucht nach seinem Papa treibt Carlo weiter und weiter in Richtung Ziel. Und wenn er erst mal dort wäre, will er sich Papa schnappen und mit nach Hause nach Bochum nehmen, das hat er sich fest vorgenommen. Ob das gelingt, wird natürlich nicht verraten, denn die Reise wird immer spannender, je näher Carlo Sizilien kommt.
Lese(t)räumchen meint
„Keiner hält Don Carlo auf“ erzählt eine sehr sympathische Geschichte, der ich gerne gelauscht habe. Das italienische Flair erzeugt glatt ein bisschen Fernweh. Carlo ist ein goldiges Kerlchen und seinen innigen Wunsch, seinem Papa endlich wieder in die Arme zu fallen, konnte ich sehr gut nachvollziehen und mitfühlen.
Um Carlos Wohlergehen muss man einfach besorgt sein und seinen etwas naiven Mut kann man nur bewundern. Wie er von einer scheinbar ausweglosen Situation in die nächste stolpert und doch immer wieder auf die Füße fällt, ist schön und mitreißend erzählt. Wie er unterwegs fast sein gesamtes Hab und Gut, das er dabei hatte, zurücklassen muss, hätte ich als kindlicher Zuhörer ganz, ganz schrecklich gefunden, das weiß ich genau. Fand ich auch jetzt immer noch ziemlich schlimm für Carlo, nur beim Zuhören …
Und zum Ende hin wird es wirklich spannend, zusätzlich angetrieben von einem zeitlichen Countdown: Carlo muss unbedingt rechtzeitig bei Papa ankommen, um von dort daheim bei seiner Mama anrufen zu können, wenn sie ihn morgens um sieben wecken will und entdecken wird, dass er nicht in seinem Bett liegt. Das Ende wird nicht verraten, nur so viel: So einfach, wie Carlo sich das vorgestellt hat, wird es mit dem Happy End ganz und gar nicht.
Oliver Scherz liest seine Geschichte selbst fürs Hörbuch und er tut das sehr charmant und schwungvoll. Nicht umsonst wurde er 2015 zum „Lesekünstler des Jahres“ gekürt. Dass er seine Figur Carlo sehr mag, hört und fühlt man deutlich. So muss das sein. Und als besonderes Goodie gibt es noch Musik: Zwischenmusik und einen Song in verschiedenen Varianten – richtig nett.
PS: Als erklärter „Rico und Oskar“-Fan springen mich jegliche Ähnlichkeiten zu deren Geschichten immer geradezu an. Ja, es gibt sie auch hier (sie führen aber nicht zur Abwertung in der B-Note!): Der Ich-Erzähler ist ein Halbitaliener, der italienische Teil stammt vom Papa, der irgendwo im Süden von Italien lebt (Palmero statt Neapel). Die Mama arbeitet in Nachtschicht (Altenheim statt Nachtclub), Carlo weiß, wie es ist, wenn man als Außenseiter gehänselt wird (er ist ein bisschen dick). Im Zug sitzt er auch mal mit einem Hund und ohne Fahrkarte unter dem Tisch und irgendwann fallen sogar ein paar Orangen einem Lastwagenunfall zum Opfer. Ach ja, und die Illustrationen in Buch und CD stammen auch hier von Peter Schössow. Aber der ist ja ein vielbeschäftigter Mann und zaubert immer wieder Neues und Großartiges, auch wenn man seinen Stil wiedererkennt.
Das nur für die Akten. Die Geschichte ist ganz anders und auf ihre eigene Art sehr charmant und unterhaltsam.
Auf jeden Fall ein heißer Hörtipp!
Steckbrief
Keiner hält Don Carlos auf
Oliver Scherz
Ungekürzte Autorenlesung mit Musik
Umfang: 2 CDs, Laufzeit ca. 134 Minuten
Verlag: Silberfisch/Hörbuch Hamburg
Altersempfehlung des Verlags: ab 8 Jahre
Erscheinungsdatum: 28.8.2015
Kommentar schreiben