"Die drei ???" als Comic. Whaaaat?!
Okay, "Die drei ???"-Fans wussten ja schon länger davon, dass im Herbst eine Graphic Novel erscheinen würde. Und jeder hat sich gefragt: Ui, kann das was werden? Die drei Detektive Justus, Peter und Bob, von denen man sich doch bisher kein Bildnis machen sollte, bekommen ein Gesicht!? Auf den legendären Buchcovern "Die drei ???"-Reihe gab es niemals Zeichnungen der drei Jungs (Ausnahme: "Der Doppelgänger"). Erst mit dem jüngeren Ableger "Die drei ??? Kids" kamen Illustrationen auf die Titel und in die Bücher, gipfelnd im meiner Meinung nach sehr gelungenen bunten Comicband "Strandpiraten" (2014).
Und nun also die Graphic Novel mit einer Geschichte, die Ivan Leon Menger und John Beckmann sich ausgedacht und zu Papier gebracht haben, zeichnerisch umgesetzt von Christopher Tauber. Ich war extrem gespannt darauf und eigentlich auch wild entschlossen, dieses neue Medium gut zu finden. Aber man weiß ja nie.
Darum geht es
Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews aus Rocky Beach übernehmen einen neuen Fall, der sich sehr mysteriös anlässt. Der Filmregisseur James Kushing wacht eines Morgens auf und findet auf seinem Arm eine große Tätowierung: einen dreiäugigen Totenkopf – wie gruselig! Und er scheint schwer gebeutelt von diesem Vorfall, verständlicherweise. Dabei war es schon schlimm genug, dass die Karriere des Regisseurs vieler schockierender Horrorfilme abrupt ein Ende gefunden hatte, nachdem ein echter und sehr wertvoller Smaragd vom Drehort seines letzten Films gestohlen wurde. Der Titel des Films lautete „Der Fluch des dreiäugigen Totenkopfs 2“ – schauder! – und der Smaragd wurde bis heute nicht gefunden. Verdächtige gibt es genug, aber keinem konnte der Diebstahl nachgewiesen werden.
Justus, Peter und Bob machen sich entschlossen auf die Suche nach dem verschollenen Edelstein und dem unheimlichen Tätowierer. Der Weg führt sie durch ein spektakuläres Horror-Museum sowie chaotische Hollywood-Filmstudios. Die drei Detektive geraten dabei von einer gefährlichen Situation in die nächste und treffen auf sehr skurrile Gestalten.
Lese(t)räumchen meint
Wer sich fragt, ob hier nun das Kopfkino torpediert wird, das sich der geneigte ???-Leser über Jahre (oder meist sogar Jahrzehnte) konstruiert hat – für mich eindeutig nein. Alles ist gut. Sogar richtig gut.
Ja, es ist ein ganz neuartig „spezialgelagerter Sonderfall“ (Insider-Running-Gag und Plattitüde zugleich, sorry). Ist doch toll, eine Buchreihe mit über 50-jähriger Tradition mal ein wenig aufzumischen und aufzufrischen. Und das Schöne: Bei aller Auffrischung ist die Story zeitlos und durch den Stil der Zeichnungen mutet sie sogar auf beste Weise nostalgisch an (dass Bobs Handy zum Einsatz kommt und in der Zentrale ein PC steht, mal außer Acht gelassen).
Form und Stil: Die Geschichte ist in edlen graublau-schwarzen Bildern erzählt, es besteht also keinerlei Verwechslungsgefahr mit den bunten "Die drei ??? Kids". Auch stilistisch nicht. Christopher Tauber – selbst ein erklärter ???-Fan – hat sich mutig aufs dünne Eis gewagt und die drei Detektive eher rough und nicht zu detailliert angelegt; er hat die düstere Geschichte mit großer Dynamik mit seinen Zeichnungen zum Leben erweckt und ganz nebenbei sein eigenes Faible für Horrorfilme eingebracht in der Welt des Regisseurs Kushing. Perfect match.
Ich selbst hatte irgendwie nie so ein richtig festes Bild von Just, Pete und Bob im Kopf; irgendwie waren sie immer etwas unbestimmt, auch wenn ihre Größe, Statur, Haar- und Augenfarbe in den Büchern durchaus beschrieben werden. Und natürlich mischen sich seit einigen Jahren noch zusätzlich die realen Gesichter der drei Hörspielsprecher Oliver Rohrbeck, Jens Warczeck und Andreas Fröhlich in die eigenen inneren Bilder hinein, weil man sie von Fotos und den Livetouren kennt.
An die Tatsache, die drei Detektive nun gezeichnet zu sehen (und das auch noch "nur" zweifarbig), hatte ich mich schon nach wenigen Seiten gewöhnt. Obwohl ... vielleicht an Peter und Bob schneller als an Justus. Der kam mir noch eine Weile lang etwas fremd vor.
Die Atmo der Geschichte ist klasse und ich mag, wie die Jungs miteinander umgehen. Nämlich genau so, wie in den besten Bänden der Reihe: Kleine Sticheleien und Seitenhiebe gehören zu dieser symbiotischen Dreier-Freundschaft einfach dazu. Ebenso wie die fast schon obligatorische Beule, die der arme Bob auch hier abbekommt (keine "saftige" allerdings, wie sie in den Hörspielen immer gerne bezeichnet wird ;)). Diesmal nicht von einem menschlichen Gegner, sondern vom Autodach seines eigenen Käfers, gegen das er geschleudert wird (am Steuer sitzt der nervöse Peter). Und natürlich zupft sich Justus beim Grübeln gern mal an der Unterlippe. Some things never change.
Und noch etwas: Es gibt immer wieder mal Sprechblasen mit Texten, die man aus den Hörspielen kennt - Klassiker wie "Ich fürchte, wir bekommen Besuch!", "Schneller, Kollegen!" oder "Der will uns umbringen!" Ich hatte da sofort die Stimme des jeweiligen Sprechers im Ohr. Eine herrliche Kombi also aus Anschauen, Lesen und Hören – wenn das kein Kopfkino de luxe ist ..!
Und dann hat es mir extrem viel Spaß gemacht, die Zeichnungen genau anzuschauen und viele kleine Anspielungen zu entdecken. Hier eine winzig kleine Auswahl:
- Jede Menge Hitchcock-Filmplakate sind im Hintergrund in Mr. Kushings Wohnung und im Filmstudio zu sehen.
- Peter trägt ein Heft mit dem Titel „Der gefiederte Schrecken“ unter dem Arm – eine Anspielung auf das gleichnamige Comic-Heft, das in der Folge „Die drei ??? und der gefiederte Schrecken“ eine Hauptrolle spielt.
- Der Name von Justus‘ Ex-Freundin Lys de Kerk ist auf der Ankündigung des Films „The Ex“ zu lesen.
- Ein Plakat zum Film „Utopia“ ist zu sehen, der in der Folge „Die drei ?? und das Labyrinth der Götter“ vorkommt,
- und vieles, vieles mehr, das ich hier nicht alles aufzählen will - es soll ja jeder Leser selbst auf die Suche gehen und sich dann an seinen Funden freuen.
Weitere Highlights
Auf Seite 9 hat Christopher Tauber eine großartige Hommage an Aiga Rasch geschaffen. (Sie hat das berühmte Coverdesign der Buchreihe mit dem schwarzen Hintergrund und den bunten, plakativen llustrationen entworfen und viele Jahre lang selbst gezeichnet. Ein wirklich grandioses Werk und Vermächtnis.)
Auf besagter Seite 9 der Graphic Novel sieht man Peter auf dem Weg in die Zentrale - den Wohnwagen auf dem Schrottplatz von Justus' Onkel Titus – und dieser Weg führt ihn zwischen unzähligen Symbolen der Klassikerfolgen hindurch. Ich fange gar nicht erst an, sie aufzuzählen; die Liste wäre sehr, sehr lang. Schaut es euch selbst an und vergnügt euch mit den liebevoll arrangierten Details.
Und auf Seite 18 wird dann auch endlich die berühmte Visitenkarte der drei ??? gezückt! Auch sehr schön umgesetzt. Dass auch der Abschlusslacher nicht fehlt, ist da nur konsequent. Auch wenn er nicht ganz am Schluss steht. Denn da lacht ein anderer ganz laut ...
Fazit
Ich finde diese erste Graphic Novel mit meinen Alltime-Lieblingsdetektiven sehr cool und witzig, außerdem spannend und dynamisch erzählt. Mit den Klischees der Reihe wird außerst vituos, respektvoll und mit liebevollem Augenzwinkern gespielt. Und das alles irgendwie sehr dezent, nie aufdringlich. Einfach richtig gut.
Man merkt auf jeder Seite: Hier waren Kenner und Freunde der drei Juniordetektive aus Rocky Beach am Werk. Also kurzum: "Die drei ??? und der dreiäugige Totenkopf" ist eine Bereicherung für den großen "Die drei ???"- ... na ja, was wohl: -Kosmos!
Und jawohl: Ich hoffe auf weitere Graphic Novels!
Comic live
Und hier noch ein Foto der drei kreativen Köpfe, die hinter der Graphic Novel stecken. Von links nach rechts: John Beckmann, Ivar Leon Menger, Christopher Tauber.
Im Rahmen der Frankfurter Buchmesse 2015 trugen sie den Anfang von "Die drei ??? und der dreiäugige Totenkopf" vor. Die Sprechblasen der eingeblendeten Bilder waren konsequenterweise dann auch leer. Sehr lustige Veranstaltung!
Update
Das schöne Feedback auf Facebook auf meinem Profil kopiere ich hier jetzt einfach rein, weil ich mich so darüber gefreut habe. :)
Steckbrief
"Die drei ??? - Der dreiäugige Totenkopf", Eine Graphic Novel von Ivar Leon Menger und John Beckmann. Illustriert von Christopher Tauber.
Umfang: 128 Seiten
Preis: 14,99 €
Verlag: KOSMOS
Erscheinungsdatum: 8.9.2015
Altersempfehlung des Verlags: Ab 10 Jahren.
D'accord. Um Spaß an der Geschichte zu haben, müssen die Kinder schon richtig gut lesen können. Denn die Texte sind gelettert (und zwar in Versalien) und ab und zu recht klein geschrieben. Da muss selbst der geübte erwachsene Leser genau hinschauen. Aber die Macher wissen ja, dass die meisten der LeserInnen schon mehrmals zehn geworden sind. Ich inklusive ... ;)
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